Hanoi und Saigon – Willkommen im Großstadtdschungel

14 12 2012

In Hanoi kommen auf etwa 6,5 Millionen Einwohner rund 5 Millionen registrierte Zweiräder. Ob Moped, Motorroller oder Motorrad, das Fortbewegungsmittel Nummer 1 in Vietnam hat zwei Räder und ist motorisiert. Besonders in den großen Städten wie Hanoi und Saigon ist der Verkehr ein amüsantes Spektakel – wenn man nicht gerade selbst Verkehrsteilnehmer ist.

Oft genug beobachte ich einfach nur, wie gefühlte eben jene 5 Millionen Motorroller eine Kreuzung in Hanoi passieren. Es ist und bleibt ein faszinierendes Schauspiel, wie die Zweiräder hier den Verkehr dominieren. Und überall wird gehupt. Eines Tages will ich es wissen und nehme mir ein paar Minuten Zeit für eine empirische Studie. Das Resultat ist wie befürchtet vernichtend. Deutlich häufiger als im Sekundentakt wird hier gehupt. Der Videoausschnitt sollte Beweis genug sein:

Beobachtung einer Straßenkreuzung in Hanoi

Aber warum nur drückt hier jeder auf die Hupe? Weder aufgrund von Gefahrensituationen noch weil irgendein Blödmann vor mir einen gewöhnungsbedürftigen Fahrstil an den Tag legt, was vielleicht Gründe zum Hupen in Deutschland wären. Nein, ganz einfach: Gehupt wird im Prinzip nur, um zu sagen: „Hier bin ich!“ – Und dieses Mitteilungsbedürfnis haben die Vietnamesen sehr häufig: wenn sie überholen, abbiegen oder einfach nur auf eine Kreuzung zufahren. Wenn man nicht gerade Kopfschmerzen oder einen Kater hat, ist das durchaus witzig anzusehen (und anzuhören).

Wer jetzt denkt, dass man sich das vom Gehweg aus in Ruhe anschauen kann, hat sich geschnitten. Es kann schon mal passieren, dass einem auch auf dem Gehweg eine ganze Motorradkolonne (natürlich hupend) entgegenkommt. Was würdest du dann tun? Zur Seite springen? Falsch! Das Beste ist einfach stehen zu bleiben… die weichen schon aus. Schlechtere Karten hat man dagegen, wenn man von dauerhafter Standhaftigkeit irgendwann genug hat und sich gerne fortbewegen will.

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In solchen Momenten kann es sehr nützlich sein, sich vorher über die jeweilige Stadt zu informieren, wie ich es gern über die Reiseplattform wikitravel.org tue. Der entsprechende Abschnitt zur Fortbewegung zu Fuß in Saigon (eigentlich seit einigen Jahren in „Ho Chi Minh City“ umbenannt, aber „Saigon“ ist schneller gesagt – und geschrieben) beginnt mit den Worten: „In Saigon die Straße zu überqueren, kann ein Alptraum sein.“ Die folgende Beschreibung, wie man hier denn am besten über die Straße geht, nimmt mit knapp zwei Seiten etwa genauso viel Platz ein wie die Angabe zu allen Sehenswürdigkeiten der Stadt. Weitere Highlights sind: „Schaue überall, wenn du die Straße überquerst, in alle Richtungen – nach links, nach links hinten, nach rechts, nach rechts vorn. Auch wenn du das Recht auf Vorfahrt hast, ist es wie bei 5 oder 6 Kamikaze-Ninjas gegen einen, sie werden sich die Vorfahrt nicht nehmen lassen…“ Ebenso sehr schön fand ich „Fußwege sind nicht der Bereich von Fußgängern. Sie werden zum Fahren, wenn nicht gar zum Parken (…) genutzt, egal wie viel Platz für den Fußgänger übrig bleibt. So sieht die Hierarchie aus!“

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Mit der Zeit und etwas Mut hatte ich dann aber raus, wie die anfänglich schier unmöglich scheinende Mission der Straßenüberquerung zu erfüllen ist. Nachdem ich in Hanoi ausreichend Erfahrung sammeln konnte, wurde ich in Saigon auch prompt von einem Kanadier gelobt, wie selbstverständlich ich doch die Straße überqueren würde… 😉 Auch wenn es zunächst nicht leicht fällt, aber des Rätsels simple Lösung ist: trotz massiven Verkehrs einfach loslaufen, einen Fuß vor den anderen setzen, die Motorroller ausweichen lassen… und niemals hektische Bewegungen machen, zögern oder gar stoppen! Das führt nämlich erst dazu, die Vietnamesen auf ihren Motorrädern zu verwirren. Trotz mehrfacher tollkühner Straßenüberquerungen habe ich mir meinen gesunden Menschenverstand, im Gegensatz zu einem Ami, mit dem ich einige Tage unterwegs war, dann doch beibehalten: Er wollte das Abenteuer suchen und hat sich in Saigon ein Motorrad ausgeliehen… Auch dazu möchte ich gern nochmal Wikitravel zitieren: „In Saigon zu fahren, ist wie sich selbst inmitten eines 3-D-Videospiels wiederzufinden, wo alles von jeder Richtung auf dich losgehen kann, und du hast nur ein Leben.“ – Wer die Wikitravel-Hinweise ähnlich witzig findet wie ich, kann sich unter hier den ganzen Abschnitt durchlesen.

Abgesehen von jeder Menge Verkehr haben die Millionenstädte Hanoi und Ho Chi Min City auch etwas Geschichte zu bieten:

In Hanoi habe ich mir die Vaterfigur des Landes schlechthin angesehen. Der Leichnam von Ho Chi Minh wird in einem Mausoleum aufgebahrt, ähnlich dem anderer kommunistischer Größen wie Lenin oder Mao Zedong. Obwohl Ho Chi Minh nun schon seit 43 Jahren tot ist, scheint er aufgrund seiner Verdienste der Befreiung Vietnams von kolonialer Herrschaft für die meisten Vietnamesen nach wie vor der eigentliche Staatschef zu sein. Die Sicherheitsvorkehrungen am Mausoleum waren ähnlich denen an Flughäfen und Späße zu machen wurde mir auch verboten… 😉

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In Saigon habe ich mir unter anderem das Kriegsmuseum angeschaut. Obwohl auch ein kleines Maß an Propaganda nicht zu übersehen war, überwog das Entsetzen über die Schandtaten des Amerikakrieges, wie der Vietnamkrieg hier genannt wird. Nur eines von vielen schlimmen Beispielen: Da Dioxine das Erbgut verändern, werden Krankheiten und Missbildungen über Generationen weitergegeben, die auf den Einsatz von chemischen Waffen im Vietnamkrieg zurückzuführen sind. Noch heute sind mehr als eine Million Menschen hiervon betroffen.

Kim Phuc Das wohl bekannteste Foto des Vietnamkriegs

OLYMPUS DIGITAL CAMERA         Stolz zur Schau gestellte “Beute”: U.S. Air Force

Nahe Saigon habe ich außerdem die Cu Chi Tunnel besucht, die einen Teil der Guerillataktik ausmachten, mit der die Amerikaner schließlich in die Knie gezwungen wurden. Hier lebten früher oft ganze Dorfgemeinschaften monatelang unter Tage. Das Tunnelsystem hat drei verschiedene Ebenen und insgesamt eine stattliche Länge von 200 km. Natürlich wollte ich mich auch mal wie ein echter Vietcong-Kämpfer fühlen und wagte mich in die für asiatische Größen konzipierten Tunnel… Freiheit fühlt sich definitiv anders an.

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Zum Abschluss gibt es noch ein Schmankerl – Videozusammenschnitte der Großstädte Vietnams:


 Hanoi

 


Saigon


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