Es spuckt, stinkt und wackelt

27 02 2013

Ist „es“ ein Tier? Oder handelt es sich vielleicht um eine der Phantasiefiguren aus „Der Herr der Ringe“? – Nein, des Rätsels Lösung lautet schlicht „Neuseeland“. Warum? Vulkane brechen aus, Schlammmoore hinterlassen gewöhnungsbedürftige Gerüche und Erdbeben sind an der Tagesordnung.

Für Geographie begeisterte Menschen muss Neuseeland ein Paradies sein. Die Inseln befinden sich genau an der Grenze zwischen Australischer und Pazifischer Erdplatte, was der Grund für regelmäßige Erdbeben, Gebirgsfaltungen sowie zahlreiche vulkanische und geothermische Aktivitäten ist. So viel in aller Kürze zur Theorie, aber viel interessanter ist natürlich immer die selbst erlebte Praxis…

Sehr lebensnah erfuhr ich einen simulierten Vulkanausbruch in einem Museum in Auckland: Ich saß in einem Raum und fühlte mich fast wie vor dem Fernseher meiner WG, im gemütlichen Sitzsack an einem Sonntagabend. Auf der Mattscheibe lief allerdings nicht der Tatort, sondern kam die Nachricht, dass der Vulkan Rangitoto nahe Auckland kurz vorm Ausbruch steht. Als dann plötzlich die Lichter ausgingen, lauter Alarm ertönte und man während des auf dem Bildschirm zu verfolgenden Vulkanausbruchs tatsächlich ein äußerst starkes Ruckeln spürte, war die lebensnahe Simulation absolut gelungen.

Ganz so unwahrscheinlich sind Vulkanausbrüche in Neuseeland allerdings nicht. Der Mount Tongariro ist im vergangenen August und November das erste Mal nach über einem Jahrhundert wieder ausgebrochen. Inmitten genau dieser Vulkanlandschaft, die durch oxidiertes Eisen teilweise rot schimmert, werde ich ab morgen übrigens eine Mehrtageswanderung unternehmen – hoffentlich ohne heiße Füße zu bekommen…

Auch ohne Vulkanausbruch habe ich in Neuseeland an einem Strand mit dem treffenden Namen Hot Water Beach schon mächtig heiße Füße bekommen. Für wenige Stunden am Tag spielt sich hier ein verrücktes Schauspiel ab: Hunderte Menschen strömen an den Strand, um sich mit Schaufeln bewaffnet Löcher in den Sand zu buddeln. Idealerweise ist das Loch so groß, dass man gemütlich darin sitzen kann. Dann heißt es abwarten, bis die Gezeiten das Meerwasser während der Flut für wenige Stunden nah genug an den geothermisch hochaktiven Teil des Strands schwemmen. Das Ergebnis: Durch den heißen Untergrund wird das Wasser schnell aufgewärmt und man hat seinen eigenen Hot Pool direkt am Meer. Sensationell! Da wir in dem Moment zufälligerweise gerade kein Sandkastenspielzeug dabei hatten, haben wir einfach die Füße im Sand vergraben. Das war auch ziemlich cool – oder eher hot, denn wer hier nicht aufpasst, riskiert schnell ernsthafte Verbrennungen. Da haben die Füße gequalmt…

Nicht nur Füße, sondern Hunderte von Quadratmetern Erde dampfen in und um die Stadt Rotorua. Im Stadtpark findet man Dutzende Teiche und Tümpel, aus denen heißer Dampf emporsteigt oder gar Schlamm brodelt und blubbert. Rotorua wird übrigens gern auch Rottenrua genannt (engl. „rotten“ = vergammelt) und bräuchte eigentlich kein Ortseingangsschild: Wenn es beginnt, nach faulen Eiern zu stinken, nähert man sich Rotorua. Diese simple Regel gilt auch bei Rückenwind, da im gesamten Umkreis Bereiche mit geothermischen Aktivitäten an der Oberfläche existieren. Das 30 km entfernte „Thermal Wonderland“ Wai-O-Tapu („heilige Gewässer“ in Maori) habe ich mir dann mal genauer angeschaut, oder sollte ich sagen beschnuppert? In diesem vulkanischen Gebiet gibt es Strömungen, die von immer noch verbleibendem Magma früherer Ausbrüche erhitzt werden. Temperaturen bis zu 300°C führen dazu, dass Mineralien aus dem Gestein absorbiert werden. Diese sorgen wiederum für eine herrliche Farbenpracht der Gewässer, welche je nach gerade stattfindenden chemischen Reaktionen beinahe jede Farbe annehmen: Grün, orange oder lila sind nur ein paar von vielen Möglichkeiten. Neben dampfenden, farbenfrohen Gewässern gibt es in Wai-O-Tapu jede Menge riesige Erdlöcher (eingebrochene Krater) sowie einen Geysir zu sehen.

Abgesehen von einigen gerümpften Nasen hier und da tut einem dampfende Erde in Neuseeland aber nichts. Anders sieht es da schon mit wackelnder Erde aus. In Neuseeland werden jährlich etwa 15000 Erdbeben registriert, wovon 100 bis 150 stark genug sind, um wahrgenommen zu werden. Die Australier nennen ihren kleinen Bruder daher auch gern „The Shaky Isles“. Auch ich spürte den Boden unter mir hier schon für einen kleinen Moment zittern. Von mehr wurde ich glücklicherweise verschont. Dabei sind zwei der schwersten Erdbeben in der Geschichte Neuseelands gar nicht allzu lange her. Beide Male traf es die Stadt Christchurch. Bis zu diesem Zeitpunkt war Christchurch die Nummer 7 in einer vom Reiseführer Lonely Planet geführten Liste der Städte der Welt, die man unbedingt gesehen haben sollte. 2010 wurde die Stadt zunächst von einem Beben der Stärke 7,1 heimgesucht, wobei wie von Wunderhand niemand zu Tode kam. Im Februar 2011 kostete ein weiteres Erdbeben jedoch 185 Menschenleben. Obwohl die Richterskala diesmal „nur“ 6,3 anzeigte, kam es aufgrund der Vorschäden durch das letzte Beben zu verheerenden Folgen. Heute ist Christchurch von glorreichen Zeiten weit entfernt. Zwei Jahre nach dem landesweiten Schock ist die Stadt nach wie vor eine große Baustelle…

Kommt es zu einem Erdbeben auf dem Meeresgrund, kann ein Tsunami mit allseits bekannten Folgen entstehen. In Neuseeland erlebte ich tatsächlich die Vorwarnstufe eines Tsunamis mit: An einem entspannten Abend mit Strandspaziergang nahe des Abel Tasman National Parks fuhr die Polizei den Küstenstreifen ab, um die Menschen vom Wasser wegzuschicken. Hier und da sprachen die Anwohner von einem Tsunami. So richtig glauben konnten wir es in dem Moment nicht. Allerdings war etwas dran… an jenem Tag Anfang Februar erschütterte ein Erdbeben der Stärke 8 die Salomonen (Inselstaat im südwestlichen Pazifik, östlich von Neuguinea), welches eine Tsunami-Warnung für eine Reihe von anderen Pazifikstaaten zur Folge hatte. Es bildete sich eine ein Meter hohe Flutwelle, die anliegende Inseln traf, aber für den 3000 km langen Weg nach Neuseeland nicht ausreichend Kraft hatte. Sollte es doch mal so weit sein, hat Neuseeland zum Glück hohe Berge und ich schnelle Beine…

Auch anderswo wird mit Naturgewalten gekämpft. So ist die aktuelle Wettervorhersage für den großen Bruder Australien auch nicht viel besser 😉



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